«Die Clubs, die sich anpassen, überleben» (2024)

Caroline Goldschmid – 29. August 2024

Das Verhalten der Nachtschwärmer hat sich verändert, die Clubs müssen sich anpassen. Dazu wird im Herbst die App Hango eingeführt. Ein Einblick mit Thierry Wegmüller, Besitzer des Clubs D! in Lausanne, und Edouard Henzi, ­Mitbegründer des Hango-Projekts.

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Thierry Wegmüller, wie präsentiert sich die aktuelle Situation der Clubs in der Romandie?
Thierry Wegmüller: In der Deutschschweiz ist die Situation offenbar schwieriger. Im D! Club erlebten wir nach dem Ende der Pandemie einen deutlichen Anstieg der Besucherzahlen. Es handelte sich dabei um Jugendliche, die mit 16 Jahren nicht mehr in der Lage waren, das Clubbing zu erleben, aber generell alle Lust hatten, sich zu treffen und zu feiern. Die Jahre 2022 und 2023 waren noch besser als 2021. Jetzt stabilisieren wir uns.
Edouard Henzi: In den meisten der befragten Waadtländer Clubs, die Mitglieder von La Belle Nuit sind, wurde festgestellt, dass die Umsatzzahlen einen positiven Trend aufweisen. Die Besucherzahlen stiegen kurz nach der Covidkrise an, dann stabilisierten sie sich wieder, aber heute sind sie immer noch höher als vor Covid. Die Leute gehen aus, die Jugendlichen gehen aus.

Alles in allem ist die Bilanz also positiv ...
Thierry Wegmüller: Ja, aber nichts ist gewonnen, und man muss sich ständig neu erfinden. In diesem Sinne ist auch das Projekt Hango entstanden.
Edouard Henzi: Man muss aber betonen, dass die Clubgänger nicht mehr auf die gleiche Art und Weise konsumieren. Sie wählen ihre Partys im Voraus aus und gehen nicht mehr wie früher in jeden beliebigen Club. Das verlangt von den Clubs, sich neu zu erfinden und jede Party zu etwas Besonderem zu machen. Alles in allem sind die Clubber anspruchsvoller geworden. Ein Club, der weiterhin dasselbe macht wie 2019, fährt gegen die Wand, weil sich das Verhalten der Menschen geändert hat. Man muss auch die Generation einfangen, die während der Pandemie 18 Jahre alt geworden ist, denn sie ist nicht daran gewöhnt, in den Ausgang zu gehen.

Steht der D! Club dank seines vielfältigen Programms besser da als andere Clubs?
Thierry Wegmüller: In der Tat ist unser Programm sehr vielfältig. Von Comedy über Konzerte bis hin zu DJ-Nächten gibt es bei uns alles. Wir haben daher verschiedene Zielgruppen: die der urbanen Musik (18 bis 23 Jahre), die der Elektromusik (20 bis 25 Jahre), die der ABC-Bar (25 Jahre und älter) und die Stand-up-Kunden (30 bis 40 Jahre). Wir mischen die Stile, daher ist unsere Kundenpalette sehr breit gefächert. Finanziell gesehen geht es dem D! Club sehr gut.

Wie steht es um die finanzielle Gesundheit der anderen Clubs?
Edouard Henzi: Die Clubs, die überleben, sind die, die am besten gemanagt werden. Die Anziehung von Kunden und die Optimierung der Ressourcen sind zwei Schlüsselelemente, die das Überleben sichern. Die Clubs, welche weiterhin erfolgreich sind, verfügen über eine umfangreiche Erfahrung. Die Verwaltung der Finanzen, die Organisation und Programmgestaltung, die den neuen Erwartungen entspricht, sind die Schlüssel zum Fortbestand.

Werden die Clubs von der Stadt, dem Kanton oder dem Bund subventioniert?
Thierry Wegmüller: Es gibt zwei Arten von Clubs: private und gemeinnützige. Private Vereine haben keinen Anspruch auf Subventionen, ausser in Sonderfällen wie der Härtefallregelung während der Pandemie, da das Clubbing leider noch nicht als Teil der Kultur angesehen wird. Das sollte unbedingt geändert werden! Wenn der Club von einem Verein betrieben wird – was bei Les Docks, Le Romandie, Le Bourg und Les Jumeaux in Lausanne der Fall ist – erhält er unter anderem von der Stadt einen Zuschuss, der nach bestimmten Kriterien festgelegt wird.

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Der D!Club in Lausanne zählt zu den beliebtesten Lokalen der Stadt. (Bild: Nicolas Righetti)

Lausanne ist die letzte grosse Schweizer Stadt, die die Vergnügungssteuer beibehält: eine Steuer von 14 Prozent auf Eintrittsgelder, einschliesslich Nachtclubs ...
Thierry Wegmüller: Das grosse Problem mit dieser Steuer, abgesehen davon, dass Lausanne die einzige Stadt ist, die sie noch erhebt, ist, dass sie in einen gemeinsamen Topf der Stadtverwaltung fliesst, dessen Ertrag nicht speziell für die Entwicklung der Kultur oder des Nachtlebens verwendet wird. Es laufen Gespräche mit der Stadt, und Edouard und ich sitzen im Namen von La Belle Nuit in verschiedenen Kommissionen. Unserer Meinung nach sollte diese Steuer für die Entwicklung der Institutionen, die sie zahlen, verwendet werden.

Abgesehen von dieser Steuer, wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Politik und Akteuren des Nachtlebens aus?
Thierry Wegmüller: Wir sind Teil des Projekts Destination Lausanne. Die Stadt Lausanne hat unter der Ägide ihres strategischen Beraters Fabrice Bernard und ihres Tourismus- und Promotionsverantwortlichen Olivier Delapierre alle Einheiten, die zur Entwicklung von Lausanne beitragen (Kultur, Sport, Hotel- und Gastgewerbe und viele mehr), zusammengebracht, um zu definieren, wie man Lausanne zu einer attraktiven Stadt in Bezug auf das Angebot machen kann.
Edouard Henzi: Ich möchte einen wichtigen Punkt hervorheben, der in den Aufgaben von La Belle Nuit eine Rolle spielt und von mehreren befragten Mitgliedsclubs geäussert wurde: Sie beobachten eine Zunahme von Unsicherheitsproblemen, die zum Teil mit Strassendealen und dem leichten Zugang zu Drogen zusammenhängen. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf den Getränkekonsum in den Clubs aus, sondern erhöht auch die Zahl der Gewaltvorfälle. Gelegentlich scheint es, dass mit zweierlei Mass gemessen wird: Beim Strassenhandel sind die Behörden weniger streng als bei den Kontrollen in den Lokalen. Sie sind oft pingelig, wenn es um Dezibelwerte und den Einsatz von Sicherheitsleuten geht. Die Clubbesitzer erwarten mehr Unterstützung von ihnen, da sie alles daran setzen, ein qualitativ hochwertiges Angebot zu schaffen und damit die Region zu stärken. Die Frage der öffentlichen Sicherheit und des Strassendealens wird mit den politischen Behörden diskutiert, ist aber Teil eines umfassenderen gesellschaftlichen Problems.

Sie stehen kurz vor dem Start des Projekts Hango, an dem auch La Belle Nuit beteiligt ist. Worum geht es dabei?
Edouard Henzi: Es handelt sich um eine App für Nachtschwärmer, die ein unverzichtbares Werkzeug für nächtliche Ausflüge sein soll. Der Name bezieht sich auf «hang out», was so viel wie ausgehen bedeutet. Die Entwicklung der App begann vor zwei Jahren. Wir wollten einen Namen, der in allen Sprachen aussprechbar ist und Jugendliche aller Nationalitäten anspricht.

Was ist das Ziel des Projekts?
Edouard Henzi: Das Ziel besteht darin, Nachtschwärmer dank der neuen digitalen Möglichkeiten mit Bars und Nachtclubs zu verbinden. Die App bietet Nachtschwärmern einen 360-Grad-Blick auf das gesamte Nachtangebot und einen Terminkalender, mit dem sie ihre Ausflüge planen können. Die Idee ist, alle Veranstaltungen, die zwischen 18 Uhr und 6 Uhr morgens stattfinden, und alle Lokale, die nachts Getränke ausschenken, wie Bars, Clubs, kurzlebige Kneipen, aufzulisten. Die App soll Anfang Oktober auf den Markt kommen. Zunächst wird es die App nur in Lausanne geben, langfristig ist ein nationaler Ausbau geplant.

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Clubs: mehr Gäste, aber weniger Umsatz pro Kopf

Die Schweizer Bar und Club Kommission (SBCK) hat Anfang 2024 erstmals die wirtschaftlichen Kennzahlen ihrer Mitgliederbetriebe erhoben. Vergleiche mit den Zürcher Wirtschaftszahlen 2018 zeigen, dass in Zürich zwar mehr Gäste kommen, diese aber deutlich weniger Geld ausgeben.

An der Onlinebefragung, welche zwischen dem 1. Februar und dem 17. April 2024 stattfand, nahmen rund 60 Betriebe teil, da­runter auch Eventlabels und Festivals. In die Auswertung flossen die Angaben von 25 Clubs und Event-Locations sowie 13Bars. Die befragten Clubs und Event-Locations haben durchschnittlich an 182 Tagen geöffnet. Bars sind deutlich häufiger geöffnet. Der Mittelwert beträgt 288 Tage oder 5,5Tage pro Woche. Durchschnittlich erwirtschafteten die befragten Clubs und Event-Locations 2023 insgesamt 2,24Millionen Franken. Pro Öffnungstag wurden 12 293 Franken erzielt. Bei den Bars beträgt der Jahresumsatz durchschnittlich 1,28 Millionen Franken und der Umsatz pro Öffnungstag 4442 Franken. Sowohl Bars als auch Clubs und Event-Locations erzielen den grössten Teil ihres Umsatzes mit dem Verkauf von Getränken. Personal- und Warenaufwände machen rund die Hälfte der Betriebskosten aus. Das gilt sowohl für Bars als auch für Clubs und Event-Locations. Besonders stark gestiegen sind die Kosten im letzten Jahr für Personal, Künstler, Waren und Strom. Als grösste Herausforderung werden die steigenden Betriebskosten genannt, gefolgt von Nachbarschaftskonflikten, der Bürokratie, der Regulierung und der Personalsuche.

Die Reserven sind nach Corona aufgebraucht

Ein Vergleich der Daten aus der Stadt Zürich, die von 2018 vorliegen, zeigt in gewissen Bereichen markante Veränderungen. Die durchschnittliche Gästeanzahl betrug in einem Barbetrieb 2018 41 488 Gäste, 2023 ist diese leicht auf 41 364 Gäste gesunken. Der Umsatz ist von 1,5 auf 1,3 Millionen oder pro Gast von 37.90 Franken auf 31.40 Franken gesunken (minus 14 Prozent). Bei den Clubs ist zwar die Gästeanzahl von durchschnittlich 75 115 auf 83 278 gestiegen, doch der Pro-Kopf-Umsatz ist im gleichen Zeitraum um 30 Prozent von 3,4 auf 2,5Millionen oder von 45 Franken auf 30 Franken pro Gast gesunken. Dies sei gemäss SBCK ein Hinweis darauf, dass die Partygängerinnen und -gänger weniger Geld zur Verfügung haben und dass aufgrund des steigenden Gesundheitsbewusstseins weniger Alkohol konsumiert wird. Der sinkende Umsatz stelle in Kombination mit den steigenden Kosten Musikclubs und Bars vor grosse wirtschaftliche Herausforderungen. Insbesondere darum, weil die Reserven aufgrund der überstandenen Coronapandemie schon aufgebraucht seien.

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Alexander Bücheli ist Mediensprecher der Schweizer Bar- und Clubkommission (SBCK). (Bild: Archiv)

Drei Fragen an: Alexander Bücheli, Mediensprecher SBCK

Mit welchen konkreten Problemen kämpft die Nachtclubbranche?
Neben den Kosten für Personal und kulturelle Inhalte, beispielsweise DJ-Gagen, sind auch die Mieten in den letzten Jahren gestiegen. Letztere waren zwar schon immer sehr hoch, der Anstieg verschärft die schwierige wirtschaftliche Situation, in welcher sich Musikclubs befinden, aber noch zusätzlich. Ein Dauerbrenner ist die Integration von Clubs in die städtische Infrastruktur. Dabei gibt es immer wieder Diskussionen mit Anwohnenden über Lärm oder Abfall im Umfeld der Clubs.

Die Branche hat sich seit Corona verändert. Wie viel Schuld trägt die Pandemie an der aktuellen Situation?
Corona war für die Branche keine einfache Zeit. Es gab de facto ein Berufsverbot, trotz der Unterstützung sind die finanziellen Reserven aufgebraucht. Weiter wirkt die Pandemie in dem Sinne nach, dass eine Generation das Clubbing nie richtig erlebt und für sich entdeckt hat.

Wie kann die Branche die Probleme lösen?
Sie kann sicher viel zu einer Lösung beitragen. Sie muss die Bedürfnisse der jungen Generation erkennen und diese wieder stärker in ihr Angebot involvieren. Die Branche muss wieder experimentierfreudiger werden. Es muss versucht werden die Einnahmen zu diversifizieren, indem die Nutzung der Räumlichkeiten mit geschäftlichen oder privaten Events erhöht wird.

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